„Journalisten machen Fehler“
Der stellvertretende Chefredakteur des ZDF, Elmar Theveßen, war an der Westfälischen Hochschule zu Gast. Der 50-Jährige stellte sich Fragen der Moderatoren Johanna Runde und Christian Hoch zu den Themen Terror-Berichterstattung und Fake News.
Theveßen hat sich durch jahrzehntelange Berichterstattung über Terroranschläge den Ruf des Terrorismus-Experten erarbeitet. In dieser Zeit konnte er zahlreiche Kontakte in Sicherheitsbehörden und auch extremistische Kreise sammeln. Das Buch „Terror in Deutschland – Die tödliche Strategie der Islamisten“ stammt aus seiner Feder.
Nennt man die Herkunft eines Attentäters?
Die neue Terror-Strategie der Islamisten werfe laut Theveßen viele Fragen auf. Wie verhindern Medien es, durch ihre Berichterstattung Angst zu erzeugen und so zum verlängerten Arm des Terrorismus zu werden? Wann wird die Herkunft des Täters genannt, wann ein Bild von ihm veröffentlicht? „Mittlerweile nennen wir die Herkunft, da uns sonst vorgeworfen wird, wir würden etwas verheimlichen wollen. Meist veröffentlichen wir auch ein Bild des Attentäters, um ihn als Einzeltäter zu kennzeichnen und Pauschalisierungen vorzubeugen.“ Diese Fragen würden aber von Fall zu Fall individuell beantwortet.
Theveßen sei froh, als öffentlich-rechtlicher Sender keinen finanziellen Druck zu spüren. So müsse das ZDF nicht um jeden Preis Klicks und Quoten generieren. „Einer Publikation muss ein begründetes Interesse zugrunde liegen. Sensationsgeilheit ist kein solches.“ Manchmal sei es ratsam, nicht sofort auf Sendung zu gehen, sondern erst die Fakten zu überprüfen.
„Auch Journalisten machen Fehler.“
Angesprochen auf den häufig geäußerten Lügenpresse-Vorwurf, gibt sich der ehemalige Washington-Korrespondent selbstkritisch: „Wir sind alle Menschen. Und deshalb machen auch Journalisten Fehler.“ Als Beispiele nennt Theveßen das Gladbecker Geiseldrama 1988, als Journalisten die Täter während der Geiselnahme interviewten, im Fluchtfahrzeug mitfuhren und durch ihre große Nähe zum Geschehen die Polizeiarbeit behinderten. Außerdem den Amoklauf in München im Juli 2016, bei dem viele Medien spekulativ berichteten und zuerst von einem islamistischen Terroranschlag ausgegangen waren. Der 18-jährige Täter stellte sich schließlich als überzeugter Rechtsextremist heraus.
Auch Emotionen seien in der Berichterstattung über Terror und Leid völlig normal. Sie dürften aber nicht die Objektivität gefährden. „Vor der Kamera schaffe ich es meist, Haltung zu bewahren. Es kam aber auch schon vor, dass ich im Schneideraum saß und geheult habe wie ein Schlosshund.“
Theveßen lag bei Breivik falsch
Der stellvertretende Chefredakteur des ZDF scheut sich auch nicht, eigene Fehler anzusprechen. So schloss er nach den Anschlägen in Norwegen 2011 durch den Rechtsextremen Anders Behring Breivik fernab der Tatsachenlage einen islamistischen Terroranschlag nicht aus. „Das steht nun bis an mein Lebensende in meinem Wikipedia-Artikel.“ In einem anderen Fall verkündete Theveßen die Freilassung der sogenannten „Sahara-Geiseln“ – als diese noch nicht in Sicherheit waren. „Bis zu ihrer tatsächlichen Freilassung waren das mit die schlimmsten Stunden in meinem Leben.“ Der Journalist weiß um seine Fehlbarkeit. Und betont nochmals: „Wir haben die Wahrheit nicht mit Löffeln gefressen, aber wollen die bestmögliche Version der Wahrheit liefern.“
Wie sehen meine Zukunftschancen beim ZDF aus?
In einen kurzen „Werbeblock“ (Zitat Theveßen) stellt der ZDF-Mann den Zuschauern das neue Format „heute+“ vor. Das Format richte sich an die Generation U30 und sei ein notwendiger Schritt. „Das Durchschnittsalter des ZDF-Zuschauers liegt bei 62 Jahren. Wenn wir ihnen nichts bieten können, werden sich die jüngeren Leute irgendwann zurecht fragen: Warum zahle ich eigentlich Rundfunkgebühren?“
Am Ende verrät Theveßen den interessierten Journalismus-Studierenden auch noch, was es für eine Karriere beim ZDF braucht: „Die wichtigste Voraussetzung ist dieselbe wie schon vor 50 Jahren: Leidenschaft!“ Auch Crossmedialität könne – mit Verweis auf das neue Format heute plus – bei der Bewerbung ein Wettbewerbsvorteil sein.
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