Schulpraktikum mal anders: Was Muscheln mit Klimaschutz zu tun haben

Donnerstag, 22. Februar 2024
Für viele gehört es zum Urlaub am Meer dazu: das Sammeln von Muschelschalen als Souvenir. Ob und wie dahinter auch ein unbewusster Beitrag zum Klimaschutz stecken könnte, damit hat sich Signe Abbenhaus während ihres Praktikums in der Lehreinheit Chemie an der Westfälischen Hochschule beschäftigt. Die Schülerin des Hittorf-Gymnasiums untersuchte unter anderem das Speicherpotenzial von Muschelschalen für klimaschädliches CO2.

Recklinghausen. Muschelschalen enthalten Calciumcarbonat, umgangssprachlich: Kalk. Um ihre Schalen aufzubauen und zu wachsen, nehmen die Muscheln Kohlenstoffdioxid (CO2) auf, das gelöst im Meer vorkommt. Aufgrund der zunehmenden Versauerung des Meeres unter dem Einfluss von Emissionen besteht jedoch langfristig das Risiko, dass sich die Kalkgerüste von Muscheln oder auch Korallen zersetzen. Dies hätte zur Folge, dass sich das gebundene CO2 wieder löst und in die Atmosphäre abgegeben wird. „Dass Muschelschalen CO2 speichern können, ist bereits bekannt. Allerdings wird noch nicht ausreichend erforscht, welche Möglichkeiten sich hieraus ergeben könnten, um Treibhausgase langfristig zu binden, indem man z. B. angespülte Muschelschalen vom Strand absammelt und dann für andere Zwecke weiterverarbeitet“, erklärt Prof. Dr. Ingo Tausendfreund vom Fachbereich Ingenieur- und Naturwissenschaften am Recklinghäuser Campus.

Einen kleinen Forschungsschritt in diesem Forschungsfeld übernahm Signe Abbenhaus während ihres zweiwöchigen Pflichtpraktikums. In den Laboren der Lehreinheit Chemie hatte die Neuntklässlerin die Gelegenheit, bei vielen Untersuchungen und Analysen praktische Erfahrungen zu sammeln: „Bei meiner Untersuchung der Muscheln war das Ziel, herauszufinden, zu wie viel Prozent genau die Muschelschalen aus Kalk bestehen.“ Die gewonnenen Werte sollen dazu beitragen, Anhaltspunkte für das Speicherpotenzial der Muschelschalen zu ermitteln. Das notwendige „Probenmaterial“ brachte Prof. Tausendfreund aus dem Nordsee-Urlaub mit. „Ich habe die Muscheln zunächst gewaschen und getrocknet, zu Pulver zerstampft und dann in verdünnter Salzsäure aufgelöst“, berichtet Signe. Die erhaltene Lösung wurde dann analysiert. Dafür durfte die 15-Jährige unter Anleitung an hochspezialisierten Spektrometern arbeiten, die nur in modernen Hochschul-Laboren zu finden sind – ein Highlight ihres Praktikums: „Diese Analysegeräte sind sehr teuer und als Schülerin damit arbeiten zu dürfen und zu beobachten, was im Gerät passiert, war sehr spannend für mich. Solche Geräte gibt es bei uns an der Schule natürlich nicht.“ In den Untersuchungen kam die Recklinghäuserin auf einen Kalkgehalt von 98 Prozent. „Damit sind in einer Tonne Muschelschalen ca. 430 kg CO2 chemisch gebunden. Diese Menge CO2 entsteht beim Verbrennen von mehr als 180 Litern Benzin. Die Ergebnisse werden wir für weitere Forschungsarbeiten nutzen. Vielleicht ist es auch ein Projekt für ’Jugend forscht‘“, resümiert Prof. Tausendfreund.

Neben dem Muschelprojekt durfte Signe Abbenhaus auch noch in viele andere Bereiche der Chemie hineinschnuppern. So befasste sie sich mit der Oberflächenspannung von Wassertropfen, Haftklebstoffen, Hightech-Polymeren und Brennstoffzellen. Sie zieht ein positives Fazit der vergangenen zwei Wochen: „Ich kann das Praktikum wirklich weiterempfehlen. Die Betreuung hier war sehr nett und ich durfte viel selbst machen und ausprobieren; Versuche vorbereiten und durchführen, Daten auswerten. Das hat Spaß gemacht.“ Ob sie später Chemie studieren möchte, darüber ist sie sich aber noch nicht ganz sicher: „Vielleicht Biologie mit Chemie-Anteil, das könnte ich mir gut vorstellen.“

 

Infokasten Girls Day:

Am 25. April 2024 findet der nächste Girls Day statt. Auch hier öffnen die Labore der Lehreinheit Chemie ihre Türen für interessierte Schülerinnen und bieten tolle Möglichkeiten zum Mitmachen und Ausprobieren. Hier gibt es dann auch die Gelegenheit, das Muschelexperiment selbst einmal durchzuführen. Anmeldungen zum Workshop „Muschelschalen als Klimaretter“ sind möglich unter: https://www.girls-day.de/Radar

 

Kurzinterview mit Marion Rusche, Lehrerin für Physik, Chemie und Mathematik am Hittorf Gymnasium Recklinghausen

Bereits seit mehreren Jahren gibt es unter Schüler:innen und Schulabgänger:innen ein nachlassendes Interesse an natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studienfächern und -berufen. Wie reagieren Sie darauf? 

Mir ist es wichtig, die Schüler durch Leidenschaft für das Thema zu erreichen. Darüber hinaus versuchen wir, die Schülerinnen und Schüler über kontextorientierten Unterricht für das Fach Chemie zu interessieren, zum Beispiel durch Nachhaltigkeits- und Umweltbezüge. Zudem helfen viele Experimente bei der Veranschaulichung.  

Seit einiger Zeit ist es den Schüler:innen möglich, ihr Pflichtpraktikum nicht nur in einem Betrieb, sondern auch an einer Hochschule oder Universität zu absolvieren. Welche Vorteile sehen Sie in einem Hochschul-Praktikum?

Wir gehen bei vielen Schülerinnen und Schülern davon aus, dass sie nach ihrem Abitur studieren werden. Der Studienstart ist zunächst ein spannender, neuer Lebensabschnitt und eine ganz neue Erfahrung. Mit einem Praktikum an der Hochschule können die Schülerinnen und Schüler einen Eindruck über das Studieren und die Abläufe an einer Hochschule gewinnen. Zudem können sie mit Studierenden über deren Erfahrungen sprechen.

Was ist das Feedback der Schüler:innen, die aus ihrem Praktikum an der Lehreinheit Chemie zurückkehren?

Wir hatten u. a. schon drei Schüler, die ihre Facharbeit in Zusammenarbeit mit der Hochschule angefertigt haben. Es ist toll, dass die Hochschule so ein Vertrauen in die Schüler setzt, dass sie mit Anleitung z. B. sehr anspruchsvolle Geräte bedienen dürfen. Das ist für die Schüler eine außerordentliche Erfahrung. Sie können hier wirklich realitätsnahe Dinge untersuchen.

 

Ihr Medienansprechpartner für weitere Informationen:
Stabsstelle Hochschulkommunikation, Telefon: 0209 9596-8963, E-Mail: presse(at)w-hs.de

Signe Abbenhaus im Labor

Signe Abbenhaus absolvierte ihr Schulpraktikum in der Lehreinheit Chemie der Westfälischen Hochschule. Hier untersuchte sie u. a. das Speicherpotenzial von Muscheln für Kohlendioxid.
Foto: WH/Yvonne Gather
Nutzung honorarfrei in Zusammenhang mit Westfälischer Hochschule

Kategorien

  • Medieninformationen der Hochschule
  • Nachrichten Nachhaltigkeit
Redaktionell verantwortliche Person nach § 18 Abs. 2 MStV:
Prof. Dr. iur. André M. Latour, 05.10.2020