Spielhallen und Wettbüros: Die "schwarzen Schafe" der Stadtkultur?

Freitag, 13. Juni 2025
Sind Spielhallen und Wettbüros die „schwarzen Schafe“ der Stadtkultur? Eine provokante Frage, der Prof. Dr. Jürgen Schwark von der Westfälischen Hochschule gemeinsam mit den Studierenden Nico da Cruz und Pascal Thurm auf den Grund gegangen ist. Dafür waren sie über vier Monate im Kreis Borken unterwegs, haben Spielhallen portraitiert und mit den Stadtverwaltungen gesprochen. Ihre Erkenntnisse haben sie im Buch „Spielhallen und Wettbüros“ verarbeitet und beleuchten darin eine umstrittene Branche aus historischer, soziologischer, ökonomischer und stadtplanerischer Perspektive.

„Das Bürgertum, das in die Spielbank geht oder an der Börse spekuliert, rümpft wegen des Milieus der Spielhallen die Nase. Niemand möchte diese Einrichtungen haben, weder in der Politik, noch in der Verwaltung oder der Bürgerschaft. Zu schwarzen Schafen werden sie insofern, indem sie ihre Versprechen nicht einlösen“, erklärt Prof. Dr. Jürgen Schwark, Professor für BWL, Sport-, Freizeit- u. Kulturmanagement am Campus Bocholt. Gemeinsam mit den Studenten Nico da Cruz und Pascal Thurm hat er das Thema „Spielhallen und Wettbüros“ im vergangenen Wintersemester im Rahmen eines Projekts historisch, soziologisch, ökonomisch und stadtplanerisch untersucht. 

„Ein zentraler Kritikpunkt unserer Untersuchung ist, dass die Spielhallen durch die visuelle Aufmachung und Handhabung der Automaten suggerieren, es würde dort gespielt. Der festgelegte Algorithmus kann aber nicht verändert werden. Mit einer TV-Fernbedienung in der Hand würden Sie auch nicht sagen, ich bin Filmemacher“, so Schwark. „Beim Wetten besteht unsere Kritik darin, dass man sich immer mehr vom eigentlichen sportkulturellen Ereignis entfernt. Hier zählt die Möglichkeit des Gelderwerbs.“ 2023 lag der Umsatz der über 5.300 Spielhallen in Deutschland bei rund 5,3 Milliarden Euro. Die Argumentation der Automaten- und Wettindustrie, die Branche schaffe Arbeitsplätze und erzeuge Milliarden an Steuereinnahmen, sieht der Hochschulprofessor kritisch: „Es ist nur eine Seite der Medaille. Die Umsätze würden in anderen Branchen des Kultur-, Freizeit- und Tourismussektors mehr bewirken, zumal dort auch relevante Wertschöpfung stattfindet. Die Bereiche Glücksspiel und Wetten, aber auch Astrologie und Esoterik, sind wertschöpfungsverzehrende Dienstleistungen.“ 

Um herauszufinden, wie die Städte dem Thema rund um die 38 Spielhallen im Kreis Borken begegnen, gingen die Autoren auch mit den Stadtverwaltungen ins Gespräch: „Bocholt und Gronau haben Vergnügungsstättenkonzepte erstellen lassen, um einen präzisen stadtplanerischen Umgang zu Anzahl und zu Standortfragen treffen können. Mit einer hohen Vergnügungssteuer und Ausgleichsabgaben bei fehlenden Parkplätzen versucht man, die Anzahl der Einrichtungen zu reduzieren.“ Was die Milieu-Problematik angehe, so habe sich die Lage in den vergangenen Jahren entschärft, berichtet der Soziologe: „Bis auf ganz wenige Ausnahmen sind die Einrichtungen zurückhaltend und bieten ein sauberes Umfeld. Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen haben dazu geführt, dass die Anzahl der Überfälle drastisch zurückgegangen ist.“ 

Eine Reduzierung der stationären Spielhallen und Wettbüros führe zwar dazu, dass sie aus dem Stadtbild verschwinden, löse laut der Untersuchung der Autoren aber nicht das gesellschaftliche Problem, das dem Glücksspiel zu Grunde liegt. In der Regel seien es prekäre, belastende oder stressige Lebenslagen, in denen sich Menschen mit Glücksspiel ein Ventil suchen. „Nun können einzelne Städte nicht gesellschaftliche Probleme lösen, aber soweit es möglich ist, sollten sie sich für sozioökonomische und soziokulturelle Kohäsion einsetzen. Das fängt z. B. damit an, die City nicht ausschließlich als Konsumraum für zahlungswillige Kundinnen und Kunden zu gestalten, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger mit Aufenthaltsqualität“, so das Fazit von Jürgen Schwark. 

Informationen zum Buch:

Spielhallen und Wettbüros. Die „schwarzen Schafe“ der Stadtkultur (Jürgen Schwark, Pascal Thurm, Nico da Cruz), BoD Verlag, ISBN 9783769350326

 

Ihr Medienansprechpartner für weitere Informationen:
Stabsstelle Hochschulkommunikation
Telefon: 0209 9596-8963
E-Mail: presse(at)w-hs.de

Jürgen Schwark, Pascal Thurm und Nico da Cruz halten ihr Buch in die Kamera und stehen vor dem Campusgebäude in Bocholt

In ihrem Buch „Spielhallen und Wettbüros – Die schwarzen Schafe der Stadtkultur“ haben die Studierenden Nico da Cruz (r.) und Pascal Thurm (m.) gemeinsam mit Prof. Dr. Jürgen Schwark von der Westfälischen Hochschule die Spielstätten im Kreis Borken untersucht.
Foto: WH/Jürgen Schwark

Kategorien

  • Medieninformationen der Hochschule
Redaktionell verantwortliche Person nach § 18 Abs. 2 MStV:
Dekan des Fachbereichs, Prof. Dr. Peter Nalbach