Mehr Stipendien im Ruhrgebiet – Talente setzen neue Maßstäbe
Gelsenkirchen. Das Erkennen und Entfalten von Talenten ist in Deutschland immer noch weitgehend an die soziale Herkunft gebunden. Stipendien gehören zu den wirksamsten Instrumenten, um herkunftsbedingte Chancenungleichheiten im Bildungssystem zu überwinden. Dies ist gerade in Regionen wie dem Ruhrgebiet wichtig, wo besonders viele Schüler:innen in weniger privilegierten Verhältnissen aufwachsen. Doch lange waren Stipendiat:innen aus dem Ruhrgebiet in den deutschen Stipendienwerken deutlich unterrepräsentiert. Um dies zu ändern, haben das NRW-Zentrum für Talentförderung der Westfälischen Hochschule und die Stiftung TalentMetropole Ruhr, gefördert von der RAG-Stiftung, im Jahr 2018 die Initiative StipendienKultur Ruhr gegründet.
Eine wesentliche Botschaft von StipendienKultur Ruhr ist, dass Spitzenleistungen oftmals erst bei Betrachtung im individuellen Lebenskontext ersichtlich werden. Wenn eine Schülerin beispielsweise ihre Geschwister betreut, zum Familieneinkommen beitragen muss, auf engem Raum ohne eigenes Zimmer und Computer aufwächst und sie sich trotz erschwerter Umstände gesellschaftlich engagiert und gute schulische Noten erbringt, kann man diese Schülerin getrost als Top-Talent bezeichnen, das von einem Stipendium erheblich profitieren würde. Dieses Beispiel zeigt, dass deutlich mehr Schüler:innen für ein Stipendium infrage kommen als auf den ersten Blick angenommen.
„Mit über 20 Hochschulen und Universitäten sowie über 290.000 Studierenden verfügen die ehemaligen Steinkohlenreviere an der Ruhr über eine deutschlandweit herausragende Hochschullandschaft. Dennoch lagen sie bei der Zahl der Stipendien lange Zeit weit hinten. Ich bin überzeugt, der Grund dafür ist nicht das fehlende Talent der Studierenden hier. Es ist im Wortsinn eine Frage der Stipendien-Kultur. Um diese zu ändern und den jungen Menschen in der Region die Chancen zu geben, die sie verdienen, unterstützt die RAG-Stiftung das Projekt StipendienKultur Ruhr. Wir möchten talentierte Schüler:innen ermutigen, sich zu bewerben, und Lehrkräfte informieren, damit sie vermehrt Schüler:innen aus der Region vorschlagen. Denn wir können es uns nicht leisten, Talente ungenutzt zu lassen – und zwar nicht nur wegen unserer gesellschaftlichen Verantwortung, sondern auch weil wir künftig gut ausgebildete Fachkräfte benötigen“, sagt Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Mitglied im Vorstand der RAG-Stiftung.
Nach fünf Jahren Projektarbeit können sich die Ergebnisse sehen lassen. Rund 700 Lehrkräfte von Ruhrgebietsschulen nahmen an Fortbildungen zur Verankerung von Stipendien im Schulalltag teil, hunderte Schüler:innen und (Fach-)Abiturient:innen wurden über Best-Practice-Beispiele in Workshops auf die Teilnahme an Auswahlverfahren vorbereitet. Auf Basis der Zusammenarbeit mit dem Projektteam richten Schulen Positionen für Stipendienbeauftragte ein und beschäftigen sich intensiver auch mit Förderformaten wie Ferienakademien, Auslandsaufenthalten u. v. m. Im Ergebnis schlägt heute die Mehrheit der Schulen im Ruhrgebiet regelmäßig Schüler:innen sowohl für verschiedene Schülerstipendienprogramme als auch für die deutschen Studienförderwerke vor. Die Anzahl vorschlagender Schulen für das Schülerstipendium RuhrTalente wurde nahezu verdoppelt, für Deutschlands größtes Begabtenförderwerk, die Studienstiftung des deutschen Volkes, beträgt der Zuwachs vorschlagender Schulen mehr als 30 Prozent. Auch die Anzahl der vorgeschlagenen Schüler:innen ist hier um fast 40 Prozent gestiegen. Dabei wird diese Ausweitung vor allem durch Zuwächse bei Schulformen getragen, die bisher wenig oder gar nicht am Stipendiengeschehen teilgenommen hatten, nämlich Berufskollegs und Gesamtschulen.
Hilke Birnstiel, Leiterin des NRW-Zentrums für Talentförderung, macht deutlich: „Talente aus nichtakademischen und einkommensschwachen Milieus setzen sich in den Auswahlverfahren durch, wenn sie einen Zugang eröffnet bekommen. Dieser klare Befund widerlegt nicht nur die These möglichweise mangelnder Potenziale bei diesen Zielgruppen für das Hochleistungssegment. Daraus lässt sich vielmehr geradezu eine Verpflichtung zur Ausübung von Vorschlagsrechten an jenen Schulen und Hochschulen ableiten, an denen leistungsorientierte Talente aus weniger privilegierten Umfeldern in hoher Dichte vertreten sind. StipendienKultur Ruhr hat vielen solcher Vorschläge den Weg geebnet – und wir werden uns am NRW-Zentrum für Talentförderung auch künftig weiter für eine lebendige Stipendienkultur im Ruhrgebiet und im Land Nordrhein-Westfalen engagieren, denn es gibt noch viele unentdeckte Talente.“
StipendienKultur Ruhr hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Stipendien im Schulalltag vieler Ruhrgebietsschulen mittlerweile fest verankert sind. Aufgrund des großen Erfolgs sollen künftig auch Regionen außerhalb des Ruhrgebietes von den hier entwickelten Ansätzen profitieren. Dazu werden die etablierten Formate für Lehrkräfte und Schüler:innen am NRW-Zentrum für Talentförderung fortgeführt und sukzessive auf Nordrhein-Westfalen ausgeweitet.
Beratung für Talente und Qualifizierungsmöglichkeiten zum Themenfeld „Stipendien“ für Lehrkräfte gibt es nun dauerhaft im NRW-Zentrum für Talentförderung. Ansprechpersonen sind: Dr. Lena Kreppel (lena.kreppel@w-hs.de) und Al-Aaron Lat (al-aaron.lat@w-hs.de).
Medienkontakt
Maximilian Liesner
NRW-Zentrum für Talentförderung
Westfälische Hochschule
Kommunikation
Telefon 0209 - 947 638 107 + 0163 – 1725364
E-Mail maximilian.liesner(at)nrw-talentzentrum.de
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