Wasser gibt Stoff in Castrop-Rauxel - Untersuchung von Wasserstoff als Energieträger

Donnerstag, 25. Januar 2024
Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger der Energie- und Wärmewende. In einem kürzlich gestarteten Werkstattprojekt der Initiative H2Raum wollen die Projektpartner die konkreten Potentiale von Wasserstoff am Beispiel der Stadt Castrop-Rauxel untersuchen. Projektpartner sind das Fraunhofer IEG (Forschungseinrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie) aus Bochum, die Westfälische Hochschule und die GELSENWASSER AG mit den Stadtwerken Castrop-Rauxel.

Castrop-Rauxel. Philipp Schroer, Projektleiter auf Seiten des Fraunhofer IEG sieht Castrop-Rauxel als optimales Reallabor: "Schon seit den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nutzten Industrieunternehmen in Castrop-Rauxel Wasserstoff aus dem Chemiewerk Hüls in Marl, wo er als Überschuss bei der Produktion von Kraftstoffen aus Braun- oder Steinkohle und in den später dort betriebenen Ölraffinerien entstand. Die Zeche Viktor betrieb damit ein Stickstoff- und Benzinwerk, welches 1963 nach Hüls der zweitgrößte Abnehmer von Wasserstoff im Ruhrgebiet war." Der Wasserstoff kam über die mit 240 km aktuell immer noch längste deutsche Wasserstoff-Pipeline nach Castrop-Rauxel. Diese Pipeline ist der Startpunkt, des in den nächsten Jahren in Deutschland aufzubauenden Wasserstoffkernnetzes. Somit gäbe es in Castrop-Rauxel eine funktionierende Infrastruktur und damit gute Voraussetzungen für die Nutzung von H2 - wie das Element Wasserstoff chemisch bezeichnet wird.

Lokalen Bedingungen sind positiv

Grundsätzlich kann man Wasserstoff in allen Bereichen als Energieträger einsetzen: als Wärmequelle, Stromspeicher, zum Antrieb von Fahrzeugen, zur Erzeugung von Prozesswärme oder als Rohstoff in der Produktion. Erzeugt man Wasserstoff aus grünem Strom ist er CO2-neutral und damit umweltfreundlich. In Castrop-Rauxel will das Projektteam nun prüfen, welche Einsatzmöglichkeiten gut zu den Voraussetzungen vor Ort passen und welche weniger gut. So gibt es etwa einen Windpark im Stadtteil Frohlinde, dessen grünen Strom man wiederum in grünen Wasserstoff umwandeln könnte. "Mit den alten Zechen stünden in Castrop-Rauxel außerdem Möglichkeiten für die lokale Speicherung von Wasserstoff zur Verfügung", so Philipp Schroer, der sich im Projekt mit der Wasserstoff-Infrastruktur und -Erzeugung befassen wird.

Analyse der Versorgungsnetze

Anders als das Fraunhofer IEG übernimmt die Westfälische Hochschule die Analyse der Versorgungsnetze. Prof. Dr. Clemens Pollerberg: "Unsere Aufgabe im Projekt ist die Netzanalyse. In diesem Fall das konkrete Versorgungsnetz in Castrop-Rauxel. Dieses Netz bilden wir digital nach und können dann ausprobieren, wo Angebot und Nachfrage zusammenpassen, ob wir Speicher benötigen oder wie sich der Einsatz von Wasserstoff sonst noch auswirken würde." Die Hochschule verallgemeinert am Ende die gewonnenen Erkenntnisse und prüft ihre Übertragbarkeit auf andere Netze. So will der H2Raum aus dem Reallabor Castrop-Rauxel eine Blaupause für andere Städteregionen entwickeln.

Wirtschaftlichkeit beachten

Für Klaus Mengesdorf, Projektleiter von der GELSENWASSER AG ist im Rahmen des H2Raum-Werkstattprojektes vor allem die Wirtschaftlichkeit möglicher Anwendungsbereiche von Interesse: "Als Betreiber der Netzinfrastruktur in Castrop-Rauxel wollen wir natürlich die vorhandenen Infrastrukturen, z. B. das Gasnetz, für neue Anforderungen nutzen. Dazu müssen wir jedoch wissen, wo es Sinn ergibt, bestehende Infrastruktur zu ertüchtigen und wo nicht." Dahinter stünden Fragen, wie "Wie sinnvoll ist heizen mit Wasserstoff?" oder "Welche Unternehmen erzeugen ihre Prozesswärme besser mit Strom und welche besser mit Wasserstoff?" Jens Langensiepen, Geschäftsführer der Stadtwerke Castrop-Rauxel ergänzt: "Die Untersuchungen entlang der Wertschöpfungskette sollen uns helfen, Anwendungspotenziale für und mit Wasserstoff zu identifizieren."

Neue Wege in der Aus- und Weiterbildung

Auch in der Aus- und Weiterbildung will das Werkstattprojekt neue Wege gehen: Jeder Projektpartner hat eine Promotionsstelle in dem Projekt ausgeschrieben. Inzwischen sind zwei der drei Stellen besetzt. Prof. Dr. Michael Brodmann, Sprecher der Initiative H2Raum und Vizepräsident für Forschung und Transfer bei der Westfälischen Hochschule: "Der Transfer von Wissen geschieht vor allem über Köpfe. Deshalb ist die Weiterentwicklung von Experten unser Anliegen." Und Prof. Dr. Rolf Bracke, ebenfalls Sprecher von H2Raum und Institutsleiter beim Fraunhofer IEG ergänzt: "Innovationen entstehen häufig an den Schnittstellen von Disziplinen und insbesondere bei der Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen mit der Wirtschaft. Auch in diesem Projekt arbeiten Wissenschaftler unterschiedlichster Couleur mit Experten aus der Wirtschaft zusammen und entwickeln neue spannende Lösungen." Das Gesamtprojekt soll drei Jahre laufen.

Initiative H2Raum

Die Initiative H2Raum erhält finanzielle Unterstützung durch das Förderprogramm „T!Raum – TransferRäume für die Zukunft von Regionen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Ziel des Förderprogramms ist, in strukturschwachen Regionen langfristig zukunftsweisende Innovationen und den Strukturwandel gleichermaßen voranzutreiben. Im Speziellen will H2Raum dafür sorgen, dass die Wasserstoffakteure im nördlichen Ruhrgebiet voneinander lernen, gemeinsam diskutieren und mitein­ander Wasserstoffprojekte entwickeln und durchführen. H2Raum adressiert dabei alle Interessierten vom Start-up über kleine und mittelständische Unternehmen, Uni­versitäten, Bildungs- und Forschungseinrichtungen über Studierende, Schülerinnen und Schüler bis hin in die Zivilgesellschaft hinein. Initiatoren von H2Raum sind die Westfälische Hochschule und das Fraunhofer IEG.

Die Westfälische Hochschule, Gelsenkirchen forscht bereits seit über 20 Jahren im Bereich der Wasserstofftechnologie und ist Partnerin regionaler und überregionaler Initiativen. Zukünftig soll der Bereich noch weiter ausgebaut werden. So laufen aktuell unter anderem die Planungen für einen neuen Studiengang „Wasserstoffsysteme und Erneuerbare Energien“.

Das Fraunhofer IEG, Bochum und Aachen beschäftigt sich als Einrichtung der Fraunhofer-Gesellschaft schwerpunktmäßig mit der industrienahen Wasserstoff-Forschung und der industriellen und kommunalen Wärmewende. Beim Thema Wasserstoff liegt der Schwerpunkt der Einrichtung bei den Transportinfrastrukturen und Speicheroptionen sowie bei der Rückverstromung in Kopplung mit Großwärmepumpen.

 

Medienkontakt: 
Kerstin Griese
Senior Communicator H2Raum
Fraunhofer IEG
Fraunhofer Research Institution for Energy Infrastructures and Geothermal Systems IEG
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E-Mail: kerstin.griese(at)ieg.fraunhofer.de

Gruppenfoto des Arbeitskreises für das Reallabor Castrop-Rauxel

Projektstart mit den Partnern: (v. l. n. r.) Guido Mihatsch, Westfälische Hochschule, Klaus Mengesdorf, Gelsenwasser, Philipp Schroer, Fraunhofer IEG, Clemens Pollerberg, Westfälische Hochschule, Jens Langensiepen, Stadtwerke Castrop-Rauxel, Kirstin Greiwe, Gelsenwasser
Foto: H2!Raum

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Prof. Dr. iur. André M. Latour, 05.10.2020