„Wie kann ich über einen Krieg berichten, wenn ich ihn nicht sehe und rieche?“

Montag, 23. Oktober 2023
Roman Goncharenko beschäftigt der Krieg Russlands gegen die Ukraine schon fast zehn Jahre. „Der Krieg hat nicht am 24. Februar begonnen, sondern am 27. Februar – und zwar im Jahr 2014, als Russland noch maskierte Soldaten auf der Krim eingesetzt hat“, sagt der Journalist. Er war schon damals in der Ukraine und hat für die Deutsche Welle berichtet. Jetzt hat er den Studierenden unseres Masters „Digitaler Qualitätsjournalismus“ von seinen Erfahrungen erzählt.

Roman Goncharenko ist in der Sowjetunion auf dem Gebiet der heutigen Ukraine geboren, hat Anglistik in Charkiw studiert und als Nachrichtenjournalist in Kiew gearbeitet. Mittlerweile ist der 47-Jährige als Redakteur bei der Deutschen Welle in Bonn. Aber er versucht, so oft wie möglich in die Ukraine zu reisen. „Wie kann ich über einen Krieg berichten, wenn ich ihn nicht sehe und rieche und stattdessen einen schönen Blick auf den Rhein habe?“, fragt er.

 

Wenn er vor Ort ist, ordnet er die Lage an der Front ein, trifft sich mit Militärs zu Hintergrundgesprächen und macht Live-Schalten. Zum Teil waren das bis zu zehn Live-Schalten an einem Tag, zuletzt eher drei bis vier. Da bleibt mehr Zeit für eigene Recherchen. Meistens übernachtet er in Hotels mit einem guten Schutzbunker. „Irgendwann gewöhnt man sich so an den Luftalarm, dass man nachts nicht mehr aufsteht“, sagt er. Ein Sicherheitsmitarbeiter informiert ihn und das Team darüber, wie der Alarm einzuschätzen ist. 

 

Wie geht er als Ukrainer mit der Situation um? „Zu Beginn hatte ich Zweifel, ob ich weiter in diesem Beruf arbeiten kann, aber ich habe es geschafft, neutral zu bleiben“, sagt er. Im Frühjahr 2022 sei er nicht in der Lage gewesen, Artikel über den Krieg zu lesen. „Ich konnte darüber schreiben, Fernsehen schauen, Radio hören, aber ich konnte nichts über diesen Krieg lesen“, sagt er.

 

Der Angriff der Hamas auf Israel hat die mediale Aufmerksamkeit an einen anderen Ort gelenkt. „Der Krieg in Israel hat die Berichterstattung über die Ukraine momentan verdrängt – das ist normal und in Ordnung“, sagt Roman Goncharenko. Er hat Verständnis dafür, dass die Aufmerksamkeit der Menschen begrenzt ist. Nicht jeder könne so ein Nachrichtenjunkie wie er sein und ständig am Handy hängen.

 

Über seine Einschätzung zum Krieg Russlands gegen die Ukraine berichtet Roman Goncharenko auch auf X: @radioroman_bonn

 

Fotos: Roman Goncharenko & Anja Hoppe

Text: Katharina Heimeier

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