Otfried Jarren mit Gastvortrag zum Thema "Zwischen Teilhabe und Beeinflussung"

Donnerstag, 16. Dezember 2021
Prof. Dr. Otfried Jarren von der Universität Zürich sprach als Gastdozent via Zoom vor 80 Studierenden des Instituts für Journalismus und Public Relations (JPR).

„Sind wir denn schon soweit gekommen wie in China, dass wir Geoblocking zur Abwehr von radikalen Telegram-Gruppen in Erwägung ziehen?“. Es war ein tags zuvor veröffentlichter Vorschlag von Thüringens Innenminister Georg Maier, der Jarren zu seiner Einstiegsfrage brachte. Denn er wollte mit den Gelsenkirchener Studierenden die aktuellen Herausforderungen der Medienpolitik diskutieren - unter dem Titel „Zwischen Teilhabe und Beeinflussung“. Schließlich ist Telegram nur eine Plattform neben vielen, die heute den gesellschaftlichen Kurs neben den klassischen Massenmedien beeinflussen. Für die Massenmedien mit ihren professionell geschulten Akteur:innen gibt es ein Regulierungssystem; für die Plattformen mit ihren überwiegend nicht journalistisch geschulten Akteur:innen gibt es noch keine umfassende Regulierung.

Die Studierenden dachten über Attila Hildmann nach, dessen Telegram-Kanal gesperrt worden war. Jarren verwies auf die Finanzierung von Telegram durch einen staatlichen Fonds aus Abu Dhabi, weshalb für Plattformen globale Regelungen notwendig wären und dafür eigentlich ein globaler Konsens erreicht werden müsste, ab wann eine Aussage „Hass erfüllt ist“ und wann nicht. Europäische Lösungen wie der Digital Service Act oder der Digital Markets Act reichten daher nicht weit genug. Die Studierenden erwogen Upload-Filter und hielten das Zensur-Argument dagegen. Jarren ergänzte die Frage, ab wann eine Lüge sanktionierbar ist, wo sie doch an sich nicht verboten sei. Die Studierenden erwähnten die Option eines Verbots der Software, mit der anonym Fehlinformationen verbreitet werden und brachten sogleich ein Anrecht auf Anonymität dagegen in Stellung, das in diesem Fall nicht nur Extremisten, sondern auch allen anderen Menschen entzogen würde.

Jarren lenkte die Überlegungen hin zur Frage nach dem jeweiligen Nutzen der unterschiedlichen Medien. Wenn die Plattformen heute zum „Selbstmanagement“ genutzt werden, wozu braucht eine Gesellschaft dann noch Massenmedien? Als vergleichsweise unabhängig, dem Gemeinwohl verpflichtete und kontinuierlich arbeitende Informationsquelle mit breitem Themenspektrum! Denn nur auf diese Basis sei eine Kooperation in der Gesellschaft möglich und das sei wiederum die Voraussetzung dafür, dass jeder einzelne Mensch seine individuelle Wohlfahrt optimieren kann.

Das Geoblocking unliebsamer Angebote sei in diesem hybriden Mediensystem jedenfalls keine hilfreiche Lösung, so Jarren.

Die Studierenden des Bachelor Journalismus und Public Relations sowie der Masterstudiengänge Kommunikationsmanagement und Digitaler Qualitätsjournalismus haben mit Jarren ihr Wissen über die aktuellen Herausforderungen der Medienpolitik vertieft. Sie kennen nun die Argumente, die Jarren in der eidgenössischen Medienkommission, mit den deutschen Landesmedienanstalten und Medienhäusern, der internationalen scientific community und zuletzt auch der alten und der neuen Bundesregierung als deren Berater in Fragen der Medienpolitik ausgetauscht hat.

Prof. Dr. Otfried Jarren in einer Zoomkonferenz

Prof. Dr. Otfried Jarren virtuell via Zoom zu Gast am Institut für Journalismus und Public Relations

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