iKann

(Lab-on-a Chip zur Inspektion von Abwasser-Kanalisationssystemen)

 

Im Rahmen des Projektes iKann wird ein Sensorsystem (Lab-on-a-Chip, LOC) entwickelt, das zur Zustandsanalyse eines Abwasser-Kanalisationssystems beiträgt. Das LOC soll zunächst zur Erfassung von physikalischen Kenndaten konditioniert werden, um als in-situ-Sensorik unmit­telbar in einer Kanalisation systemrelevante Messwerte zu erfassen. Das LOC soll zudem für zukünftige Anwendungen konzipiert werden, in welchen biochemische Analysen ebenfalls in Echtzeit ermittelt werden und auf diese Weise zur Lösung aktueller Probleme der Gesundheitsvorsorge beitragen könnten. Durch die geografische Zuordnung von potenziellen Problemstellen in einem Kanalisationssystem lassen sich zudem Instandhaltungsmaßnahmen rechtzeitig planen und Störfälle vermeiden.

Zur Inspektion des Systems werden hierzu LOC mit speziellen Sensoren der Kanalisation zugeführt und messen gemäß Abb. 1 schwimmend auf dem Abwasser bis zum Klärwerk autark relevante Kenndaten, wie u. a.

  • Strömungsgeschwindigkeit
  • geografische Koordinaten
  • Zeitdauer
  • Wassertemperatur

Über die Strömungsgeschwindigkeit sind beispielsweise Engpässe und über die Abwasser­temperatur unzulässige Abwasserzuläufe wie Schadstoffe im System detektierbar.

Die LOC sind vorzugsweise kugelförmig aufgebaut und somit geeignet die Pumpstationen z. B. in Klärwerken ungehindert zu passieren. Jedes LOC wird mit einem Akku ausgestattet, der mit einer Akku-Ladung eine Betriebsdauer eines LOCs von mehreren Monaten ermöglicht.

Die Sensoren bzw. Elektronikkomponenten sind hermetisch eingehaust und wieder­ver­wendbar. Sie können aus automatischen Dispensern einem Kanalisationssystem zugeführt werden, um dann mit dem Abwasserstrom mitzuschwimmen und dabei Messdaten aufzu­zeichnen. Am Ende einer Inspektionsreise stehen die Sensoren nach einer kontaktlosen Aufladung der Akkus wieder für eine neue Reise durch ein Abwassersystem zur Verfügung.

Zur Kommunikation zwischen einem LOC und einem Anwender-Datenserver wird in ausge­wählten Revisions- bzw. Wartungsschächten jeweils ein Gateway installiert. Die gesammelten Messwerte vorbeifließender LOC werden über eine Funkübertragung aufgezeichnet.

 

Aqualab

Abb.1: Urbanisation mit unterirdischer Kanalisation, in welcher LOC (●) physikalische Kenndaten aufzeichnen

Ein LOC (Lab on a Chip) ist ein kugelförmiges mikrotechnisches System (●) von der Größe eines Tennisballes, das sich in einem Abwasserkanal mit dem Abwasser fortbewegt. Zur Über­win­dung von Sperrstufen innerhalb der Kanalisation müssen LOC wahlweise schwimm- oder tauchfähig sein, um diese oder andere Barrieren situationsbedingt überwinden zu können.

 

Abwasserkanal

Abb.2: LOC (●) schwimmend bzw. tauchend in einem Abwasserkanal

Messwerte werden durch ein Gateway (Smart Device Controller, SDC) über ein überirdisches Netzwerk, entweder leitungsgebunden (LAN) oder leitungsungebunden (WLAN, LPWAN, LTE…), an eine Leitstation bzw. eine Datenplattform (Server) weiter­geleitet. Diese Datenüber­tragung wird mehrfach an unterschiedlichen Passagen bzw. Kanalabschnitten durchgeführt, bevor die Inspektionsreise eines LOCs abgeschlossen ist.

Zur Lösung dieser Aufgabenstellung werden verschiedene Technologien interdisziplinär untersucht bzw. entwickelt. Unter anderem:

  • Miniaturisierung eines LOCs für widrige Umgebungsbedingungen
  • unterirdische leitungsungebundene Datenübertragung
  • automatische Betriebsartenumschaltung schwimmen/tauchen
  • Entwicklung einer Datenplattform
  • ökonomische Akzeptanz

Die große technische Heterogenität der fünf genannten Teillösungen, stellen eine besondere Heraus­forderung an die Entwicklung des Gesamtsystems dar.

Zur Miniaturisierung und zugleich wetterfesten Einhausung von Sensorik und Elektronik wurden neuartige Verfahren eingesetzt und untersucht, die auf dem Einsatz von PDMS basieren. Polydimethylsiloxan (PDMS) ist ein elastisches, transparentes Silikonpolymer. Dieses Material wird ursprünglich für das Eingießen elektronischer Bauteile verwendet, um sie vor Umwelteinflüssen zu schützen.

 

Laboruntersuchung
Abb.3: Laboruntersuchungen mit PDMS zur Schwimm- bzw. Taucheigenschaft eines LOC

Zur Echtzeitanalyse von strömungstechnischen Abwasserkenndaten soll im späteren praktischen Einsatz eine große Anzahl von LOCs in einer Kanalisation im Abwasser ständig mitschwimmen.
Über eine stetige Funkver­bindung lassen sich Analyseergebnisse bzw. Messwerte eines LOCs zu jeder Zeit über das Gateway an eine Datensammelstation (Cloud oder dedizierter Datenserver) übertragen. Das Gateway dient bei Bedarf in gleicher Weise als Daten­konzentrator oder Datenpuffer.
Da die Unterflur-Funkübertragung über lange Distanzen naturgemäß eingeschränkt ist, wurde ein LOC-Funknetzwerk konzipiert, das nicht nur eine Kommunikation zwischen den LOCs und einem Gateway unterstützt, sondern ebenso die Kommunikation zwischen den LOCs unter­einander (Mesh-Netzwerk). Verschiedene Mesh-Netzwerksysteme wurden aus diesem Grund evaluiert und auf ihre Eignung hin ausgewertet.
Die Messdatenübertragung unter der Erdoberfläche stellt eine besondere Herausforderung an die Datenübertragung mittels Funkwellen dar, weil die unterirdische Ausbreitung elektro­magnetischer Wellen, insbesondere unterhalb der Wasseroberfläche, durch hohe Dämpfung bzw. kurze Reichweiten beeinträchtigt wird. Eine Möglichkeit diese Effekte zu minimieren besteht in der integrierten automatischen Barriere-Erkennung und Überwindung.